Teil 3 zur Reihe: Wenn die Stimmung kippt – und niemand es war
- Ute Müller
- 14. Mai
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Mai
Kein Entkommen: Deine Rolle im System
Manche Dinge brauchen Raum. Gruppendynamik ist kein Thema für Schnelllösungen. Wer verstehen will, was zwischen Menschen geschieht – und was das mit einem selbst macht – darf sich Zeit nehmen. Dieser Text will nicht schnell gelesen werden. Sondern wirken.

Die hohe Kunst der Selbstreflexion in Gruppendynamiken
Im ersten Teil habe ich beschrieben, wie schwer greifbar es sein kann, wenn sich die Stimmung in einem Raum verändert – es ging darum, wie du einen Raum besser lesen kannst.
Im zweiten ging es um toxische Dynamiken, die von einzelnen Personen ausgehen – oft subtil, oft unausgesprochen, aber tief wirksam.
Heute möchte ich das Thema bewusst von einer anderen Seite beleuchten.
Eine, die oft ungern angesprochen wird – aber meiner Erfahrung nach ebenso wichtig ist:
Was, wenn die Veränderung tatsächlich etwas mit mir zu tun hat?
Viele Menschen kennen dieses Gefühl:
Etwas ist im Raum nicht stimmig. Es liegt Spannung in der Luft.
Und man fragt sich: Bin ich schuld? Liegt es an mir?
Oft ist diese Unsicherheit berechtigt – aber nicht immer ist sie auch begründet.
Denn genauso, wie wir manchmal unter toxischen Einflüssen leiden,
kann es auch sein, dass wir selbst – unbewusst – eine Dynamik mit auslösen.Nicht aus Böswilligkeit. Nicht bewusst manipulativ.Sondern einfach, weil wir in Resonanz gehen.
Wie kannst du sicher sein, dass dein eigenes Verhalten nicht toxisch wirkt?
Kommunikation findet immer statt
In der Psychologie sagt man: «Man kann nicht nicht kommunizieren.»*
Wir senden ständig Signale – durch Worte, Blicke, Haltung, Tonfall.
Und wir empfangen ebenso.
Ob wir wollen oder nicht: Wir wirken. Und wir werden bewegt.
Das bedeutet bei der Selbstreflexion in Gruppendynamiken: Auch mein eigenes Verhalten, meine Geschichte, meine Erwartungen bringen Schwingung in eine Gruppe.
Und diese Schwingung trifft auf andere Menschen – mit ihren eigenen Geschichten, Erfahrungen, Prägungen.Manchmal passt das – manchmal reibt es sich.
Und das ist nicht immer sofort erklärbar.
*Dieser berühmte Satz stammt von Paul Watzlawick, einem österreichisch-amerikanischen Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeuten und Mitbegründer der sogenannten Palo-Alto-Gruppe. Er beschäftigte sich intensiv mit zwischenmenschlicher Kommunikation und prägte die Systemische Therapie entscheidend mit.
Täter – Opfer – Helfer?
In der systemischen Arbeit spricht man vom sogenannten Drama-Dreieck:
Die drei Rollen – Täter, Opfer, Helfer – sind keine festen Identitäten.
Sie wechseln.
Und manchmal sind wir uns gar nicht bewusst, in welche Rolle wir gerade geraten.
Wir versuchen zu retten – und übergehen damit.
Wir fühlen uns ohnmächtig – und reagieren passiv-aggressiv.
Oder wir lehnen uns auf – und merken nicht, wie wir dominieren.
Das alles ist menschlich.
Aber es lohnt sich, hinzuschauen:
Welche Rolle nehme ich gerade ein – und wie wirke ich damit auf andere?
Keine Diagnose – sondern Verbindung
In unserer heutigen Zeit werden Begriffe wie toxisch, narzisstisch, emotional übergriffig sehr schnell verwendet. Meinem Geschmack nach: manchmal zu schnell.
Sie erzeugen Distanz – und ein Gefühl von Richtig oder Falsch, Gesund oder Krank.
Aber was, wenn es weder «krank» noch «gesund» ist?
Was, wenn es einfach menschlich ist – verwoben, unklar, unbewusst?Was, wenn sich zwei Lebensgeschichten begegnen – und einfach nicht harmonieren?
Dann hilft keine Schublade.
Dann hilft nur: innehalten, wahrnehmen, klären – wenn möglich.
Bewusstsein trifft Autopilot – wer steuert wirklich?
Ein großer Teil dessen, was wir in Gruppen erleben, läuft unbewusst ab.
Unsere Amygdala – das emotionale Frühwarnsystem – reagiert auf Reize, ohne dass wir es merken.
Unser Belohnungssystem sucht nach Sicherheit, Anerkennung, Zugehörigkeit.
Manchmal geraten wir in einen Raum und fühlen uns abgelehnt, bevor jemand etwas gesagt hat.
Nicht, weil dort Ablehnung ist – sondern weil unser inneres Radar etwas erinnert, das lange zurückliegt.
Und genau das ist die Einladung zur Selbstreflexion.
Denn wir bringen immer auch persönliche, oft tief verankerte Bedürfnisse mit – auch wenn sie mit der konkreten Arbeit nichts zu tun haben. Diese mischen sich in den Büroalltag ein und wirken – manchmal subtil, manchmal deutlich.
Die Vorstellung von «Objektivität» greift hier zu kurz: Der Mensch handelt nie losgelöst von sich selbst.*
Wir sind Subjekt – mit Geschichte, innerer Landkarte und emotionalem Erleben.
Wer sich selbst kennt und unterscheiden kann, was in ihm selbst geschieht, kann bewusster handeln. Es ist ein Übungsfeld, denn meist haben wir nicht gelernt, im Moment verschiedene Perspektiven gleichzeitig einzunehmen:
Die eigene Position, die der anderen – und die darüber hinaus.Doch genau das ist möglich: sich selbst spüren, empathisch bleiben, Überblick behalten.
Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine hohe Kunst – und zugleich der Schlüssel, um sich in Gruppen lebendig und klar einzubringen.
* Die Aussage basiert auf philosophischen und psychologischen Erkenntnissen. Handlungen werden stets durch individuelle Motive, Überzeugungen und Persönlichkeitsmerkmale geprägt. Diese Sichtweise ist in vielen philosophischen und psychologischen Theorien verankert, auch wenn sie nicht auf eine einzelne Quelle zurückgeführt werden kann.
Was kann ich tun?
Es geht nicht um Schuld. Und es geht nicht darum, alles bei sich zu suchen.
Aber es kann sehr kraftvoll sein, sich selbst zu fragen:
Wie wirke ich gerade – ohne es zu merken?
Was bringe ich mit in diese Gruppe – bewusst oder unbewusst?
Was triggert mich – und was triggert vielleicht andere an mir?
Welche Rolle nehme ich gerade ein oder möchte ich gerne einnehmen?
Siehe Teil 1 > (link zum Teil 1)
Denn jede Veränderung beginnt da, wo ich mir selbst näher komme.
Wandel ist ein Prozess – aber tiefe Selbsterkenntnis beschleunigt ihn.
Manche denken: «Ich gehe einmal ins Coaching – und dann ist alles anders.»
Oder noch besser: Mit Hypnose lasse ich mich einfach «umprogrammieren».
Doch so funktioniert es nicht. Das ist zu kurz gedacht.
Gute Coaches erkennst du nicht daran, dass sie dir sagen, wie du dein Leben zu leben hast.
Sie geben keine Ratschläge und arbeiten mit dir keine strategischen Pläne oder perfekten Vorgehensweisen aus.
Sie sind darin ausgebildet, dich fokussiert und gezielt zu begleiten – und zwar genau dorthin, wo es weh tut: zu deinen inneren Konflikten, und mitten hindurch.
Erst dadurch kann eine echte Wandlung geschehen.
Ich persönlich achte darauf, dass Coaching weniger eine reine Ressourcen-Arbeit ist – sondern vor allem Raum für tiefgreifende Reflexion bietet. In meiner Arbeit treffen Bewusstsein und Unterbewusstsein aufeinander – und die Klienten und Klientinnen erleben diesen Prozess unmittelbar mit.
Denn eine Welt, die wir nur mit Positivismus und Affirmationen füllen, bleibt oft an der Oberfläche.
Es kommt der Tag, an dem es wieder einmal nicht gut läuft – und dann helfen all die schönen Affirmationen plötzlich nicht mehr.
Unsere Muster, unsere Reaktionsweisen, unsere Geschichten – sie sind gewachsen.
Sie lassen sich nicht einfach «wegcoachen».
Aber sie lassen sich anschauen. Schicht für Schicht.
Und mit der Zeit entstehen daraus neue innere Räume.
Fazit
Nicht jede schlechte Stimmung ist deine Verantwortung.
Aber vielleicht lohnt es sich, den Gedanken zuzulassen:
Was, wenn ich – ohne es zu wollen – Teil der Spannung bin?
Es geht nicht um Schuld.
Sondern um die Möglichkeit, mit sich selbst anders in Kontakt zu kommen – und damit auch mit anderen.
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie man eigene Anteile erkennen und damit neue Wege im Gruppengefüge eröffnen kann, sprich mich gerne an.
Wir müssen nicht auf Autopilot bleiben. Aber wir müssen auch nicht alles kontrollieren.
Es gibt einen dritten Weg:bewusst, verbunden, natürlich.
🟠 Dieser Artikel ist Teil der Reihe: Wenn Gruppen schwierig werden – und niemand es war.
Teil 1: «Was, wenn ich es bin – ohne es zu merken?» → [Link zum Teil 1]
Teil 2: «Wenn Steuerung subtil wird – und du es spürst» → [Link zum Teil 2]
Hinweis:
Mein Ansatz im Bereich «Bewusstseinsarbeit» bietet ein grundlegendes Werkzeug zur Veränderung persönlicher Themen, zur Lösung innerer Blockaden und Herausforderungen. Dies umfasst auch Aspekte der Gesundheit (Psychosomatik) und der Gewichtsreduktion. Die Kommunikation kann entweder im Wachbewusstsein oder in einem Zustand bewusster Hypnose stattfinden. Dabei sind zwei entscheidende Faktoren wichtig:
Mut, sich selbst zu begegnen.
Authentizität, den Willen zur bedingungslosen Ehrlichkeit zu sich selbst zu haben.
Schmankerl
Eine kleine Auflockerung zum Thema:
Dieter Hallervorden und Helga Feddersen - Flugangst

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In der Online-Kommunikation verwende ich das «Du», wie im Englischen, um eine persönliche und offene Ansprache zu schaffen – ohne die formale Distanz zu verlieren. Ebenso wähle ich bewusst eine vereinfachte Sprache ohne Unterscheidung von Gender und Diversität. Dies geschieht aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit. Mir ist es wichtig zu betonen, dass ich alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Identität oder Herkunft schätze und respektiere. Jeder ist willkommen, und ich achte alle gleichermaßen. Mein Anliegen ist es, dass sich alle Leserinnen und Leser gleichermaßen angesprochen fühlen. Vielen Dank für Dein Verständnis.
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