Performte Echtheit – Wenn Feedback zum Selbstverlust führt
- Ute Müller
- 12. Juni
- 4 Min. Lesezeit
In der Hoffnung, erfolgreicher zu sein, orientieren sich viele Menschen zunehmend am Aussen. Sie optimieren sich, folgen Ratgebern, holen Feedback ein – mit dem Ziel, sichtbarer, wirksamer, «richtig» zu wirken. Doch dabei geschieht etwas Paradoxes: Aus dem Wunsch, authentisch zu erscheinen, entsteht performte Echtheit. Individualität wird zur Maske, Erfolg zur Anpassung – und das eigene Ich bleibt auf der Strecke.

Der gut gemeinte Ratschlag:
«Gleiche dein Selbstbild öfter mit dem Fremdbild anderer ab und hole Feedback ein.» – dieser Satz wird in der Personalentwicklung häufig empfohlen – eine Praxis, die für viele fast schon zum Standard gehört. Er soll helfen, die blinden Flecken zu erkennen, sich weiterzuentwickeln, erfolgreicher zu kommunizieren.
Doch was, wenn genau dieser Ratschlag dazu führt, dass Menschen sich mehr und mehr von sich selbst entfernen?
Ich beobachte bei meiner Arbeit immer häufiger: Menschen verlieren sich, weil sie zu sehr im Aussen leben. Weil sie Feedback überbewerten. Weil sie denken, sie müssten etwas werden, das sie gar nicht sind. Weil sie verlernen, ihrer eigenen inneren Stimme zu vertrauen.
Die Psychologie des Fremdbildes
Ja, psychologisch gesehen kann Feedback wertvoll sein. Modelle wie das Johari-Fenster* (Anwendung in Persönlichkeitsentwicklung, Teamentwicklung und Kommunikationstrainings) zeigen, dass wir durch andere Seiten an uns kennenlernen, die uns selbst verborgen bleiben.
Doch was, wenn diese Rückmeldungen unreflektiert, zu häufig oder aus fragwürdigen Quellen kommen?
Dann kann Feedback zu einem Werkzeug der Verunsicherung werden. Dann kann es auch zu einem Selbstverlust durch Feedback kommen – wenn Menschen beginnen, sich mehr an äusseren Stimmen zu orientieren als an ihrer eigenen inneren Wahrheit.
Die Self-Verification Theory etwa erklärt, dass Menschen Bestätigung ihres Selbstbildes suchen. Stimmen die Aussagen von aussen nicht überein, gerät das Ich ins Wanken. Und je instabiler das Selbstbild, desto abhängiger wird man vom Bild anderer.
*Ziel vom Johari-Fenster ist es, die «Arena» (den offenen Bereich) zu vergrößern:
Durch Selbstoffenbarung (verkleinert die Fassade) und durch Feedback (verkleinert den blinden Fleck). Die Kritik an der Methode, sie ist zwar einfach, jedoch nicht tiefenpsychologisch – eignet sich daher eher für Einstiege in Reflexion. Es setzt ein gewisses Maß an Vertrauen und Offenheit voraus, damit Feedback ehrlich gegeben und aufgenommen wird. Und es kann zur Überbetonung von Außenwahrnehmung führen – wenn Feedback überhöht wird, kann das auch verunsichern.
Philosophische Tiefenschärfe: Wer bin ich ohne die anderen?
Philosophen wie Jaspers haben sich mit der Frage nach dem wahren Selbst beschäftigt. Er sprach von «Grenzsituationen», in denen wir uns selbst radikal gegenübertreten müssen – ohne Masken, ohne Rollen, ohne das ständige Echo der anderen.
Søren Kierkegaard formulierte es so: «Das Selbst ist das Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält.» Wenn dieses Verhältnis durch zu viel Feedback, zu viel Anpassung, zu viel Optimierung gestört wird, verliert der Mensch den Zugang zu seinem wahren Kern.
Der Widerspruch unserer Zeit: Individualismus vs. Massenoptimierung
Wir leben in einer paradoxen Kultur:
Es heisst: «Sei du selbst.»
Gleichzeitig: «Aber bitte so, dass es skaliert, funktioniert, sichtbar ist.»
Das Ergebnis:
Viele Menschen performen Individualität – als Image, nicht als gelebte Wahrheit.
Und merken irgendwann: Sie leben das Leben eines anderen.
Die Symptome des Selbstverlusts
Innere Leere trotz Erfolg
Starke Anpassung in verschiedenen Lebensbereichen
Unfähigkeit, Entscheidungen ohne äusseren Abgleich zu treffen
«Ich sollte» statt «Ich will» im inneren Dialog
Permanente Selbstbeobachtung
Der Weg zurück zur Authentizität
Selbstbeobachtung: Was fühle ich wirklich? Wofür brenne ich?
Bewusste Informationsdiät: Wen lasse ich in meinen Kopf?
Räume der Stille: Zeiten ohne Reize, ohne Feedback, ohne Input.
Der Körper als Kompass: Spannung, Enge, Weite sind wertvolle Hinweise.
Biografische Reflexion: Wann war ich das letzte Mal ganz ich selbst?
Fazit: Die ureigene Art ist der wahre Erfolg
Was wäre, wenn der wahre Erfolg nicht darin liegt, alles richtig zu machen? Sondern darin, aus sich selbst heraus zu leben?
Nicht das Fremdbild, nicht der Ratgeber, nicht das Label führt zur Klarheit. Sondern die radikale, ehrliche Beziehung zu sich selbst. Vielleicht ist das unsere Aufgabe als Coaches, Begleiter, Menschen: Andere daran zu erinnern, dass sie schon genügen. Und dass das, was sie zu bieten haben, nicht auf dem Markt der Konformität entsteht – sondern aus dem Innersten.
Doch genau hier tritt ein zentrales Thema auf den Plan: Vertrauen. Kann ich meiner eigenen inneren Stimme trauen – obwohl sie noch keine Bücher geschrieben, keine Vorträge gehalten und keine Likes gesammelt hat?
Es braucht Mut, ihr dennoch zu folgen. Mut, etwas auszuprobieren, ohne Garantie. Die eigene Wahrheit in der Praxis zu leben – nicht nur im Denken. Die Antwort kommt nicht im Voraus. Sie entsteht im Tun. Genau diese Ungewissheit schreckt viele ab.
Doch in ihr liegt die Chance: Sie fordert uns auf, uns selbst zu leben – nicht theoretisch, sondern echt. Und das ist vielleicht das mutigste, was ein Mensch heute tun kann.
Hinweis:
Mein Ansatz im Bereich «Bewusstseinsarbeit» bietet ein grundlegendes Werkzeug zur Veränderung persönlicher Themen, zur Lösung innerer Blockaden und Herausforderungen. Dies umfasst auch Aspekte der Gesundheit (Psychosomatik) und der Gewichtsreduktion. Die Kommunikation kann entweder im Wachbewusstsein oder in einem Zustand bewusster Hypnose stattfinden. Dabei sind zwei entscheidende Faktoren wichtig:
Mut, sich selbst zu begegnen.
Authentizität, den Willen zur bedingungslosen Ehrlichkeit zu sich selbst zu haben.
Schmankerl
Eine kleine Auflockerung zum Thema:
Bully & Rick "Business-Kasper"

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In der Online-Kommunikation verwende ich das «Du», wie im Englischen, um eine persönliche und offene Ansprache zu schaffen – ohne die formale Distanz zu verlieren. Ebenso wähle ich bewusst eine vereinfachte Sprache ohne Unterscheidung von Gender und Diversität. Dies geschieht aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit. Mir ist es wichtig zu betonen, dass ich alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Identität oder Herkunft schätze und respektiere. Jeder ist willkommen, und ich achte alle gleichermaßen. Mein Anliegen ist es, dass sich alle Leserinnen und Leser gleichermaßen angesprochen fühlen. Vielen Dank für Dein Verständnis.
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